Ein "Blick in die deutsch-jüdische Blogosphäre" sollte es werden - so versprach es zumindest die Überschrift auf Seite 17 der aktuellen Ausgabe der
Jüdischen Allgemeinen .
Doch darüber, was deutsch-jüdische Blogs nach Ansicht der "Jüdischen Allgemeinen" sind, kann man sich nur wundern. Der Artikel datiert den Beginn des deutsch-jüdischen Bloggens mit Henryk Broder:
Der Urvater der jüdischen Blogosphäre, Spiegel-Autor Henryk M. Broder, hat auf seiner »Achse des Guten« ein Netzwerk exponierter Autoren zusammengebracht, die am liebsten und schärfsten linken Antisemitismus und Antiamerikanismus ans Licht zerren. Nachsicht mit dem Islam und andere Manifestationen von Gutmenschentum werden ebenfalls nicht geduldet.
Das ist schlicht und einfach falsch. Das älteste deutschsprachige jüdische Weblog, dessen Verfasser seine Blog-Aktivitäten leider im Oktober 2006 beendet hat, war
"Chuzpe, das härteste jüdische Blog zwischen Tel Aviv und New York".
Da wußte Henryk Broder noch gar nicht, was ein Weblog ist. Er begann sein erstes nämlich im August 2007. Neben dem Blog von Henryk Broder, Lizas Welt, Spirit of Entebbe, Zeitung für Schland, No Blood for Sauerkraut, Gay West, Blick auf die Welt von Beer Sheva und dem österreichischen Weblog "Instant Coffee" wird auch "Letters from Rungholt" der deutsch-jüdischen Blogosphäre zugerechnet, ein Weblog, in dem eine nicht-jüdische Deutsche mehr als vom Kibbuzalltag aus Israel erzählt.
Was das mit deutsch-jüdischer Blogosphäre zu tun, wenn eine nach Israel ausgewanderte Schweizerin in ihrem Blog
"Blick in die Welt von Beer Scheva aus" von ihrem Leben in Beer Sheva erzählt und Artikel aus der NZZ kommentiert? Ich lese das gelegentlich gerne, käme aber nie auf die Idee, das der "deutsch-jüdischen Blogosphäre" zuzurechnen.
Übrigens wird in diesem Artikel über die "deutsch-jüdische Blogosphäre" - außer dem erwähnten Rungholt-Blog - keines der Blogs erwähnt, die im Webring
"Jüdische Blogs in Deutschland" eingetragen sind, wobei sich dort auch Blogs von Juden
aus Deutschland finden, die woanders leben und in deutscher Sprache bloggen.
Merke: Um von der Jüdischen Allgemeinen der "deutsch-jüdischen Blogosphäre" zugerechnet zu werden, darf man über alles mögliche bloggen, aber möglichst wenig über Innerjüdisches in Deutschland. Aber vielleicht folgt dem Artikel in einer der kommenden Ausgaben noch ein zweiter Teil.
Nachtrag: In der Jüdischen Allgemeinen ist am 13. August ein Artikel über jüdische Weblogs in Deutschland erschienen. Mehr dazu
hier